Stellungnahme zum ZDF-Sommerinterview des Bundespräsidenten Steinmeier

Mehr sozialen Zusammenhalt gegen Rechts wagen!

Mehr sozialen Zusammenhalt gegen Rechts wagen! 

Uns macht seit Langem Sorgen, worauf nun Bundespräsident Steinmeier in seinem ZDF-Sommerinterview vom 09.07. hingewiesen hat: nämlich die wachsende Zustimmung zur AfD.

Der Aufstieg und das aktuelle Umfrage-Hoch der AfD sind aber mit dem Hinweis auf Unzufriedenheit und Protestwahl nicht ausreichend zu erklären; sie basieren auf komplexen tiefgreifenden gesellschaftlichen Prozessen. Rassistische Ressentiments und Vorurteile gegen Geflüchtete sind schon längst keine Randerscheinung mehr. Vielmehr sind sie in der Mitte der Gesellschaft verankert. Der Rechtsruck im politischen Diskurs und die Infragestellung demokratischen und humanistischen Gedankenguts sind nicht zu übersehen. Die AfD kann also mittlerweile mit einer stabilen gesellschaftlichen Basis rechnen. Ihre Wähler*innen sind also größtenteils keine „Protestwählerinnen“ mehr, sie wählen die AfD als Überzeugung. Deswegen hat der Rechtsruck der etablierten Parteien, der übrigens in vielen EU-Ländern zu beobachten ist, gegen den Aufstieg der extrem rechten Parteien nichts gebracht.

Was die Menschen umtreibt, sind die Folgen andauernder Krisen unserer Gesellschaft:  tatsächlicher oder befürchteter sozialer Abstieg, steigende Unsicherheit, prekäre Arbeit, Zunahme der Armut, Egoismus, Konkurrenzdenken und  der Kampf „jeder gegen jeden“ führen immer stärker zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft, die durch Beschwörungen und Sonntagsreden nicht aufzuhalten ist.

Dagegen hilft nur: eine klare und nachvollziehbare Politik der sozialen Sicherheit für alle, wirksame Weichenstellungen für  eine lebbare Zukunft der jungen Generationen, entschlossene Förderung des sozialen Zusammenhalts und der Weltoffenheit in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland, und – eigentlich selbstverständlich – klare Kante gegen Rechts. Neuer Nationalismus und verstärkte Militarisierung sind keine Auswege.

Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innen-Organisationen hat die Regierung der „Ampel“ seit ihrer Bildung offen und kritisch begleitet, weil wir im Koalitionsvertrag auch viele positive Ansätze gesehen haben. Schon die Zwischenbilanzierung nach 100 Tagen und einem Jahr fiel ernüchternd aus. Aktuell sehen wir, dass sich die Prioritätensetzung immer weiter zulasten einer sozial gerechten Einwanderungsgesellschaft  verschiebt. Aktuellstes Beispiel ist der rüde Umgang mit der Kindergrundsicherung. Eine solche Politik gefährdet den sozialen Zusammenhalt anstatt ihn konsequent zu fördern.

DemokratischeMigrant*innenorganisationen stehen für das Programm einer sozialen, offenen, vielfältigen, demokratischen und  solidarischen Einwanderungsgesellschaft Deutschland. Noch immer fehlt es in vieler Hinsicht an einer Teilhabe „auf Augenhöhe“. DemokratischeMigrant*innenorganisationen sind gerade jetzt unverzichtbar. Ihre Rolle zu stärken, gehört zu einem Handeln, das von einer fortschrittlichen Politik erwartet werden muss.

Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen setzt sich für eine moderne vielfältige Einwanderungsgesellschaft ein, in der Zusammenhalt und Solidarität keine leeren Worte sind. Unsere Basis sind lokale Verbünde, in denen eine große Zahl von sehr verschiedenen Vereinen gemeinsam wirken: herkunftsübergreifend, transkulturell und zukunftsorientiert. Es ist ein jeweils kleines, vitales und an vielen Orten in Deutschland  anzutreffendes “Modell“, wie Einwanderungsgesellschaft sein könnte, ohne Diskriminierung und anti-rassistisch. Wir leben Transkulturalität, Vielfalt und Demokratie tagtäglich.