BV NeMO im Vorfeld der Bundestagswahl 2021: politische Forderungen an die neue Bundesregierung

Die Bundestagswahl 2021 findet in einem besonderen Jahr statt, denn die Corona-Krise bedeutet einen tiefen Einschnitt für unsere Gesellschaft. Die soziale Schieflage nimmt zu – Corona ist deshalb zugleich die Krise der Einwanderungsgesellschaft Deutschland. Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen e. V. (NeMO) mit seinen 22 lokalen Verbünden und insgesamt über 700 Mitgliedsvereinen positioniert sich im Vorfeld der Bundestagswahl – und für die Zeit danach – mit folgenden politischen Forderungen:

Gute Bildung für alle: Jetzt besonders dringlich!

Kinder von Migrant*innen und Geflüchteten sind überproportional von Bildungsbenachteiligungen betroffen. Corona-Nachhilfe im üblichen Sinne ist kein ausreichender Ansatz. Wir plädieren für eine gezielte Förderung von Lernfreude und Motivation, bedarfsorientiertes Herangehen unter Mitwirkung von Migrant*innenorganisationen, Anerkennung der Mehrsprachigkeit als Ressource, zukunftsorientierte Bildungspolitik als Gesamtaufgabe von Ländern, Kommunen und Bund mit Einbeziehung von Migrant*innenorganisationen, Schul- und Kita-Besuch unabhängig vom Aufenthaltsstatus, kostenlose Sprachkurse unabhängig von der Bleibeperspektive sowie ein neues Konzept der Erwachsenenbildung für Migrant*innen und Geflüchtete.

Für eine humane Asylpolitik!

Die Werte einer Einwanderungsgesellschaft zeigen sich besonders deutlich im Umgang mit den Schutzsuchenden. Die Verhältnisse an den Außengrenzen der EU sind menschenverachtend und skandalös. Deutschland ist hier mitverantwortlich. Die Arbeit mit Geflüchteten ist und bleibt eine lokal-kommunale Daueraufgabe und muss entsprechend gesichert sein. Wir fordern eine Überarbeitung der bisherigen europäischen Abschiebepolitik – unter beratender Einbeziehung von Migrant*innen- und Menschenrechtsorganisationen. Wir fordern ferner die Aufnahme von Menschen auf der Flucht nach dem Vorbild von „Sicheren Häfen“, verbindliche und einklagbare soziale Standards für die Unterbringung von Geflüchteten, eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive für Menschen ohne deutschen Pass, die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes – sowie kostenlose Rechtsberatung für Schutzsuchende, insbesondere unter Beteiligung von Migrant*innenorganisationen.

Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung!

Rassismus ist in unserer Gesellschaft tief verankert. Das Anti-Rassismus-Programm der Bundesregierung ist bisher allerdings in erster Linie bedrucktes Papier. An seiner Umsetzung mangelt es. Wir fordern daher ein bundesweites Sofortprogramm unter aktiver Mitwirkung von Migrant*innenorganisationen auf Augenhöhe. Dazu gehört der flächendeckende Ausbau von Antidiskriminierungs- bzw. Antirassismusstellen, die Verabschiedung von Antidiskriminierungsgesetzen in allen Bundesländern, die Förderung und Stärkung von Antirassismusstellen auf der Landes- und Bundesebene mit Beteiligung von Migrant*innenorganisationen als Träger, eine bundesweite Aufklärungskampagne zu Rassismus, die Förderung von geschützten Begegnungsräumen für Betroffene, die Stärkung vorhandener Opferschutzorganisationen, rassismuskritische Bildung sowie die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte.

Teilhabe: Mit guter Arbeit!

Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Niedriglöhne, Werkverträge und Minijobs prägen zunehmend die Arbeitslandschaft. Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte sind hiervon überproportional betroffen. Wir fordern die Öffnung öffentlicher Institutionen für Beschäftigte mit Migrations- oder Fluchtgeschichte durch Quoten – entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung. Wir fordern zudem die Umwandlung prekärer Arbeitsverhältnisse in tarifliche, gesicherte, flächendeckende spezielle Maßnahmen für benachteiligte junge Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte. Wir fordern die Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse und die Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylsuchende in den ersten drei Monaten.

Gleiche politische Rechte für alle!

Mehr als elf Millionen Menschen in Deutschland sind nicht eingebürgert. Das ist ein echtes Demokratiedefizit. Wir fordern: die volle rechtliche Gleichstellung dieser Menschen, nicht zuletzt durch erleichterte Einbürgerung und das Wahlrecht für alle, die hier dauerhaft leben.

Masterplan „Über Corona hinaus“

Gerade jetzt, im Wahljahr 2021, gilt: Es an der Zeit für die Vermeidung sozialer Ungleichheit, die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung sowie die Stärkung der Teilhabe. Wir fordern von der Bundesregierung einen Masterplan: Solidarisch aus der Corona-Krise! In Bund, Land und Kommune mit Migrant*innenorganisationen.