Radical Diversity ist ein Begriff aus dem Konzept „Social Justice und Diversity“ (vgl. Czollek/Perko/Kaszner/Czollek 2019) und bezeichnet eine konkrete Utopie einer Gesellschaft, in der Strukturelle Diskriminierung zugunsten der radikalen Verschiedenheit und Gleichheit von Menschen überwunden ist, also eine de facto plurale Demokratie. Strukturelle Diskriminierung bedeutet die Verwobenheit von individueller, institutioneller (inkl. rechtlicher), kultureller Diskriminierungspraxen. Dabei ist Diskriminierung nicht beliebig, sondern durch ihre Charakteristika definiert: Der Anwendung von Gewalt, der Erzeugung von Machtlosigkeit, der Durchsetzung hegemonialer Kulturvorstellungen, Praxen von Ausbeutung und Marginalisierung und Prozessen der Exklusion (vgl. Young 1969; Czollek et. al 2019). Die Verwirklichung von Radical Diversity hieße die Verwirklichung einer diskriminierungsfreien Gesellschaft:
• ohne Diskriminierung von Menschen aufgrund bestimmter Diversitätskategorien (wie Migration, Alter, Geschlecht u.v.a.),
• eine inklusive und partizipative und für alle Menschen offenen Gesellschaft, ohne die Nützlichkeit und Leistung von Menschen in den Vordergrund zu stellen,
• in der Social Justice (als Anerkennungs-, Verteilungs-, Befähigungs- & Verwirklichungsgerechtigkeit) gesellschaftlich realisiert wäre.
Ein Denken in Utopien dient dazu, Alternativen zu entwerfen. Konkrete Utopien sind kein abstraktes Ziel, sondern können von Menschen realisiert werden. Dazu braucht es keine Worthülsen, sondern einen politischen Willen und nicht zuletzt einen Wahrnehmungswechsel: Ein defizitorientierter Blick auf diskriminierte Personen und Gruppen, die sich in eine Gesellschaft integrieren sollen, muss verändert werden hin zur Wahrnehmung, dass die Dominanzgesellschaft Defizite aufweist und auf Unterstützung von Migrant*innenorganisationen angewiesen ist. Diese Unterstützung ist nicht zuletzt durch Handlungsempfehlungen gegeben. Radical Diversity bedeutet also auch eine kritische Praxis, der es um die Veränderung homogener öffentlich-politischer Räume, Institutionen, kultureller Praxen und Diskurse hin zu einem Mainstream der radikalen Verschiedenheit & Vielfalt geht. Es bedeutet, auf eine inklusive & partizipative Gesellschaft hinzuarbeiten, in der Diskriminierungsrealitäten und ihre Wurzeln (lat. radix) beendet sind.
Quellen: Czollek, Leah Carola/Perko, Gudrun/Czollek, Max/Kaszner, Corinne: Praxishandbuch: Social Justice und Diversity. Theorie – Methode – Praxis (2. überarbeitete und stark erweiterte Auflage), Weinheim/Basel 2019. Young, Iris Marion: Fünf Formen der Unterdrückung. In: Herta Nagl-Docekal, Herlinde Pauer-Studer (Hg.), Politische Theorie, Differenz und Lebensqualität, Frankfurt/Main 1969.