Schäm dich, Europa!

Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen e. V. (NeMO) schließt sich der Petition von PRO ASYL an und sagt: „Nein zu einem Europa der Haft- und Flüchtlingslager!“

Tausende Schutzsuchende sind im Nordwesten von Bosnien und Herzegowina gestrandet. Sie sind seit Wochen schutzlos Schnee und Kälte ausgesetzt. Und es ist keine Rettung in Sicht. Anstatt Schutzsuchende aufzunehmen, verlässt sich die EU auf eine „Hilfe vor Ort“. Im Klartext bedeutet das: Mit aller Brutalität wird den Menschen der Weg in die EU blockiert. Bosnien verfügt über kein funktionierendes Asyl- und Aufnahmesystem für Schutzsuchende. Somit entstehen an den EU-Außengrenzen Flüchtlingslager unter europäischer Flagge, die a priori zu Orten der Inhumanität, Gewalt und Rechtlosigkeit werden.

Das muss nicht sein: Es geht auch anders! Am 02. Januar 2021 haben 45 Europa-Parlamentarier*innen in einem gemeinsamen Brief legale und sichere Einreisemöglichkeiten in die EU für die Geflüchteten gefordert. Bosnien und Herzegowina könne nicht alleine das an Aufgaben bewältigen, was die gesamte EU nicht geschafft habe. Wir teilen diese Sicht und fordern eine sofortige Evakuierung des Lagers von Lipa. Auch andere Lagern, etwa in Griechenland, müssen aufgegeben werden. Den Menschen muss ein Zugang in die EU ermöglicht werden.

Allein in Deutschland haben sich in den letzten Jahren über 200 Kommunen zu „Sicheren Häfen“ erklärt – und die Bundesländer ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert. Das Schweigen der Bundesregierung angesichts der lebensbedrohlichen Lage der Flüchtenden direkt an der EU-Grenze ist ein Skandal! Angela Merkel und Horst Seehofer können und müssen Entscheidungen treffen, welche es den Schutzsuchenden ermöglichen, schnellstmöglich in die EU weiterreisen zu dürfen. Nur so können Flüchtende von Deutschland und anderen aufnahmebereiten Mitgliedstaaten aufgenommen werden.

Bei der letzten Mitgliederversammlung am 27.11.2020 hat sich der Bundesverband NeMO ein weiteres Mal und in aller Deutlichkeit gegen eine europaweite und von der deutschen Regierung geteilte restriktive Asylpolitik positioniert. In diesem Zusammenhang haben wir uns mit dem bundesweiten Netzwerk „Kommunen – Sichere Häfen“ solidarisiert. Es wurde beschlossen, dass Mitgliedsverbünde in den Städten, die noch nicht Mitglied im Netzwerk sind, aufgefordert werden, bei den Kommunen auf eine Mitgliedschaft hinzuwirken.

Der Bundesverband NeMO fordert darüber hinaus seine Verbünde und Mitgliedsorganisationen auf, mit eingehaltenem Abstand und nötigem Schutz kreativ Solidarität und Unterstützung für die Menschen in Bosnien und Herzegowina zu zeigen.

Die Verbünde und Mitgliedsorganisationen werden mit Flüchtlingsräten und Aktiven vor Ort kommunale Politiker*innen und die EU-Bundestagabgeordneten ansprechen. Sie werden diese dabei zur Rede stellen. Warum sind an Europas Außengrenzen tausende Flüchtlinge dem drohenden Kältetod schutzlos ausgeliefert? Welche Vorstellungen oder Konzepte haben sie für einen koordinierten und gemeinschaftlichen Umgang mit Asylverfahren und die Aufnahme von Geflüchteten parat?

Wir müssen gerade in diesen Zeiten unsere demokratischen freiheitlichen Grundrechte, das Recht auf Bewegungsfreiheit und Migration, vor allem aber das Recht auf Nichtdiskriminierung verteidigen!