Das Märchen von der "Parallelgesellschaft": Gastbeitrag von Dr. Ümit Koşan

In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau schreibt Vorstandsvorsitzender Dr. Ümit Koşan über die soziale Frage und Rassismus in der Coronakrise.

Vor zehn Tagen äußerte sich der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, über einen hohen Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte unter den Corona-Intensivpatienten – und die „Bild“-Zeitung machte eine Schlagzeile daraus. Statt der Frage nachzugehen, ob eine mögliche höhere Betroffenheit von Covid-19-Erkrankungen mit sozialer Lage – wie zum Beispiel beengten Wohnverhältnissen, Armut und dem Zwang zur außerhäuslichen Tätigkeit unter problematischen Arbeitsbedingungen – zusammenhängen könnte, wird das übliche Vorurteil von Parallelgesellschaften bemüht.

Die sehr ungleiche Betroffenheit durch die sozialen Folgen von Corona, das ist nun aber genau die Botschaft aus der Studie, die kurz danach vom Statistischen Bundesamt vorgelegt wurde. Wir als Aktive in Migrant*innen-Organisationen, die wir uns mit großem Einsatz in dieser Gesellschaft engagieren, lesen dies und denken: Wir haben mit unseren Befürchtungen Recht gehabt.

Schon vor fast einem Jahr, Mitte April 2020, hat zum Beispiel der Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen (BV NeMO) eine Positionierung an alle Verantwortlichen im Bund und vor allem auch in den Kommunen gerichtet: „Die Corona-Krise bedeutet: hohe gesundheitliche und soziale Risiken. Unsere Befürchtung ist: Es besteht die Gefahr einer Verschärfung sozialer Benachteiligungen, aber auch eines sich verstärkenden Rassismus, in der Krise und als Folgen der Krise. Wenn dies geschieht, werden Menschen mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte davon erheblich betroffen sein.“

Vor zwei Wochen, am 26. Februar, hat der BV NeMO mit einem bundesweiten Aktionstag in mehr als 20 Städten erneut Alarm geschlagen: „Die Corona-Krise macht ungleicher – die Corona-Krise schadet unseren Kindern, macht ärmer, zerstört Jobs, macht noch kränker, macht Wohnungen noch enger, benachteiligt Frauen, grenzt aus, macht Flüchtlingsunterkünfte noch unwürdiger …“. Am Ende stand und steht die Forderung nach einem Masterplan gegen die sozialen Folgen der Corona-Krise.

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Foto: Alex Serdyuk