Soziale Problemlagen beseitigen

Einige Punkte der 10 Forderungen an die neue Bundesregierung zum Thema "Soziale Problemlagen beseitigen"

Gute Bildung für alle und Gesundheit in und nach Corona-Pandemie: Jetzt besonders dringlich!
Die Corona-Krise hat soziale Schieflagen offenbart. Besonders dringlichen Handlungsbedarf gibt es in den Bereichen Bildung und Gesundheit, aber auch in Hinblick auf die Wechselbeziehungen zwischen Bildung und Gesundheit. Kinder von Migrant*innen und Geflüchteten sind von Bildungsbenachteiligungen überproportional stark betroffen, insbesondere jene in Risikolagen; bereits bestehende Ungleichheiten haben sich verschärft. Corona-Nachhilfe im üblichen Sinne ist kein ausreichender Ansatz. Wir plädieren für Förderung von Lernfreude und Motivation und ein bedarfsorientiertes Herangehen unter Mitwirkung von Migrant*innenorganisationen. Dies gilt auch für das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“, dessen Kurzatmigkeit zugunsten einer längeren Dauer korrigiert und stärker an die Hand lokaler Verantwortungsgemeinschaften gegeben werden muss.
Eine zukunftsorientierte Bildungspolitik als Gesamtaufgabe von Bund, Ländern und vor allem auch Kommunen muss u.a. die Anerkennung von Mehrsprachigkeit als eine Ressource, Schul- und Kitabesuch unabhängig von Aufenthaltsstatus, kostenlose Sprachkurse unabhängig von einer Bleibeperspektive und die Öffnung der Erwachsenenbildung für Migrant*innen und Geflüchtete umfassen.
Eine besondere Aufmerksamkeit hat für uns der Zugang zur Ausbildung für Jugendliche und junge Erwachsene. Hier sind die Aufforderungen zum Sprachniveau zu revidieren und der Ausbildungsmarkt muss leichter und zugänglicher gemacht werden. Es gibt viele Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte, die von der Corona-Krise sowohl gesundheitlich als auch sozial besonders betroffen sind. Seinen Grund hat dies in durchaus weit verbreiteten sozialen Benachteiligungslagen. Wir fordern auch jetzt noch, in Zusammenarbeit mit Migrant*innenorganisationen in der noch fortwirkenden Pandemie gezielt Unterstützung und Orientierung vor Ort zu sichern. Und auch das hat uns die CoronaKrise erneut gezeigt: Wir fordern eine interkulturelle Öffnung des Gesundheitswesens und niedrigschwellige und vielfaltsorientierte Zugänge zu ihm.

Umweltgerechtigkeit und Globale Solidarität
Klimaschutz und Umweltfragen haben sich mit Recht und viel zu spät ganz oben auf die politische Agenda geschoben. Dabei dürfen Aspekte der sozialen Lage und ihrer Entwicklung nicht außer Acht gelassen werden. Menschen in Risikolagen, zu denen vielfach auch solche mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte gehören, sind und werden auch hier vom Klimawandel erheblich betroffen, weil sie seinen Folgen nicht ausweichen können. Umweltgerechtigkeit darf beim Klimaschutz nicht auf der Strecke bleiben.
Dies gilt noch stärker für die Auswirkungen des Klimawandels im Globalen Süden. Hunger und Armut sind schon jetzt die Folgen. Menschenrechts- und Hilfsorganisationen rechnen damit, dass es bis 2050 über 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben könnte, wobei es am härtesten jene trifft, die nicht die Mittel zur Flucht haben. Die Lage vieler Menschen des Globalen Südens hat sich mit und durch Corona-Krise ohnehin weiter dramatisch
verschlechtert. Die Pandemie stellt für diese Länder eine gigantische Herausforderung dar, da die Gesundheitssysteme in vielen Ländern in schlechtem Zustand sind und sich in vielen Ländern Menschen auf der Flucht befinden. Überschuldungen halten diese Länder in Abhängigkeit und begrenzen ihre Spielräume drastisch. Beide Krisen überlagern sich, verstärkt und verschärft durch kriegerische Auseinandersetzungen. Wir sagen: Die globale Krise fordert globale Lösungen. Die deutsche und europäische Politik im Globalen Süden muss radikal umgebaut werden.

Teilhabe: Mit guter Arbeit! Vielfalt, vor allem auch im Öffentlichen Dienst
Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Niedriglohn, Werkverträge und Minijobs prägen immer mehr die Arbeitslandschaft. Davon sind Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte überproportional betroffen. wie z.B. diejenigen, die in Branchen beschäftigt waren - wie Hotels und Gastronomie -, in denen es Corona-Lockdowns gab. Auf der anderen Seite machte die Corona-Krise sichtbarer, wie hoch der Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte in den sogenannten „systemrelevanten“ Tätigkeiten, die belastend und schlecht bezahlt sind, ist: im Einzelhandel, im Bereich der Entsorgung, in der Pflege, in der Nahrungsmittelindustrie. Ein Blick nach England gibt einen Eindruck davon, was wäre, wenn die Eingewanderten eines Tages nicht mehr zur Verfügung stünden.
„Ohne Migrant*innen funktioniert unsere Gesellschaft nicht“. Wir stimmen mit den Gewerkschaften überein, dass in diesem Feld ein dringender und enormer Handlungsbedarf besteht, so z.B. bei der tarifvertraglichen Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen, bei der wirklichen Durchsetzung eines Mindestlohns, der für das Leben reicht, bei der Erleichterung der Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse. Im Öffentlichen Dienst ist Vielfalt unabweisbar: denn der Öffentliche Dienst ist nicht nur für alle Bürgerinnen und Bürger da, sondern: was in ihm geschieht, hat reale und symbolische Aussagekraft zum Zustand unserer Gesellschaft. Menschen mit Einwanderungsgeschichte müssen also in allen Bereichen des Öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Einrichtungen und auf allen Qualifikationsstufen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung eine angemessene Beschäftigung finden. 

Masterplan „Über Corona hinaus“
Am 26. Februar 2021 führte der BV NeMO unter der Überschrift „Wir Migrant*innen schlagen Alarm: Corona-Krise macht ungleicher!“ einen bundesweiten Aktionstag durch. Es ging darum, präventive Maßnahmen zur Vermeidung verstärkter sozialer Ungleichheit und für die Stärkung der Teilhabe einzufordern, vor allem dort, wo wir leben, in den Städten, aber auch auf Landes- und Bundesebene aktiv mitzuwirken: Im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für unser Zusammenleben, was für uns selbstverständlich ist. Dieser Aktionstag mündete in der Forderung nach einem Masterplan: Solidarisch aus der CoronaKrise: In Bund, Land und Kommune. Auch nach der Bundestagwahl und immer noch in Zeiten der Pandemie gilt: Vermeidung sozialer Ungleichheit, Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung sowie die Stärkung der Teilhabe sind Notwendigkeiten über den Tag hinaus.

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