Positionierung: Soziale Problemlagen beseitigen

Diskussionsvorlage für das Austauschforum vom 17.03.2022

Ausgangslage
Menschen mit Migrationsgeschichte sind in allen Lebensbereichen überproportional benachteiligt. Hier nur einige Fakten:

  • Arbeit: Im Arbeitsbereich gehen sie prozentual wesentlich weniger einer bezahlten Tätigkeit nach (2020: 67,2% gegenüber 78,9% der Menschen ohne Migrationshintergrund). Außerdem sind sie mehr von prekärer Beschäftigung in Niedriglohnsektoren betroffen. Beispielsweise arbeiten ausländische Beschäftigte dreifach häufiger in der Leiharbeit (6 Prozent) als deutsche Beschäftigte (2 Prozent). Der Anteil der Geflüchteten in der Leiharbeit ist mit 13% noch deutlich höher. Ebenfalls sind Menschen mit Migrationsgeschichte wesentlich mehr von der Erwerbslosigkeit betroffen (2020: Deutsche mit Migrationshintergrund 6,8%, ausländische Staatsbürger*innen 8,7%, Deutsche ohne Migrationshintergrund 2,8%) (Quelle: Mediendienst Integration)
  • Wohnverhältnisse: Beim Wohnen werden Menschen mit Migrationsgeschichte stark benachteiligt: 2018 lebten nur 30% der Menschen mit Migrationshintergrund, aber die Mehrheit (54%) der Menschen ohne Migrationshintergrund in Wohneigentum. Bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund standen je Person rund 13 Quadratmeter weniger Wohnfläche zur Verfügung (ca. 29 Quadratmeter) als bei Personen ohne Migrationshintergrund (42,6 Quadratmeter) (Quelle: BPB).
  • Bildung: Auch im Bildungsbereich ist die Situation von Menschen mit Migrationsgeschichte nicht besser. Laut dem Bericht des Sachverständigenrats für Migration und Integration vom 29.11.2021 besuchen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener eine Kita und sind an Hauptschulen über- und an Gymnasien unterrepräsentiert. Zudem belegen die verschiedenen Schulleistungsuntersuchungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, dass die schulischen Kompetenzen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin erheblich hinter denen von Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund zurückbleiben. Auch in der beruflichen Bildung und im Studium setzt sich diese Benachteiligung fort. Jugendliche mit Migrationshintergrund beginnen weiterhin weniger häufig und zu einem späteren Zeitpunkt eine Berufsausbildung als Jugendliche ohne Migrationshintergrund, so der Bericht. Bei Studierenden mit Migrationshintergrund bestehe ein höheres Risiko, das Studium abzubrechen. So hätten im Absolventenjahr 2018 knapp die Hälfte (48 %) der Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer ihr Bachelorstudium abgebrochen. Der Anteil ist seit 2010 kontinuierlich gestiegen (+ 6 PP.). Bei den Studierenden mit deutscher Staatsangehörigkeit waren es nur 27 Prozent; dieser Anteil ist seit Jahren fast unverändert. Insgesamt lasse sich die Bildungsbenachteiligung von Studierenden mit Migrationshintergrund zu großen Teilen durch die soziale Herkunft erklären (Quelle: SVR-Migration).
  • Rente und Altersarmut: Migrant*innen sind vom Risiko der Altersarmut besonders hart betroffen. Denn wer aus einem anderen Land eingereist ist, kommt im Alter meist kaum über die Runden. Häufig arbeiten Migrant*innen der „ersten Generation“ in schlecht bezahlten Jobs. Sie haben durch fehlende Arbeitsgenehmigungen, Wartezeiten und Umschulungen meist Lücken in ihrem beruflichen Lebenslauf. Und können so nur geringe Rentenansprüche erwerben. Darüber hinaus fehlen Menschen mit Migrationsgeschichte oft Beziehungen und Netzwerke. Sprachbarrieren wirken sich ungünstig aus, Berufsabschlüsse werden nicht anerkannt – auch das schlägt sich in den Renten nieder (Quelle: Verdi).
  • Armut: Letztendlich tragen die Benachteiligungen in allen Lebensbereichen dazu bei, dass Menschen mit Migrationsgeschichte ein höheres Risiko haben, in Armut zu leben. So lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2019 bei Menschen mit Migrationshintergrund bei 27,8% und bei Menschen ohne Migrationshintergrund bei 11,7% (Quelle: Mediendienst Integration).


Koalitionsvertrag der Ampelregierung
Der 177seitige Koalitionsvertrag umfasst viele soziale Themen. Hier eine Auswahl von Themen, um die Bandbereite sozialer Fragen zu illustrieren: 

  • Arbeit: Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Erhöhung des Mindestlohns auf 12 € ist zu begrüßen (KV, S. 69). Dies bedeutet für rund zehn Millionen Beschäftigte eine beachtliche Lohnerhöhung. Davon profitieren auch Beschäftigte mit Migrationsgeschichte, die überproportional in Niedriglohnsektoren tätig sind. Es fehlen jedoch konkrete Kontrollmechanismen, um eine Umgehung des Mindestlohns zu verhindern. Sehr problematisch ist die Anhebung der Minijob-Grenze auf 520 € im Monat (KV, S. 70). Dadurch werden prekäre Beschäftigungen ausgeweitet. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Oktober 2021 zeigt, dass Minijobs sozialversicherungspflichtige Stellen verdrängen und nur selten eine Brücke in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bilden. Zudem bringen Minijobs für die Beschäftigten zahlreiche Nachteile mit sich. Diese verbleiben oft im Niedriglohnsegment und arbeiten unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Ihnen werden häufig Arbeitnehmerrechte vorenthalten, zum Beispiel bezahlter Urlaub. Sie sind außerdem nur dann rentenversichert, wenn sie freiwillig zusätzliche Beiträge zur Rentenversicherung entrichten (Quelle: IAB-Forum).
  • Kinderarmut: Kinder und Jugendliche sollen mit gleichen Lebenschancen aufwachsen, unabhängig von ihrer Herkunft (KV, S. 98). Außerdem soll mit der Kindergrundsicherung Kinderarmut bekämpft und bessere Chancen für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche geschaffen werden (KV, S. 100). Allerdings bleibt der Koalitionsvertrag bei der Bekämpfung von Kinderarmut und Einführung einer Kindergrundsicherung sehr vage. Es fehlt an konkreten Maßnahmen in verschiedenen Lebensbereichen. Deshalb kommt Armutsforscher Christoph Butterwege, zum Ergebnis, dass „eine echte Bekämpfung von Kinderarmut anders aussieht“ (Quelle: Die Debatte). Migrant*innenkinder sind überproportional von Armut betroffen. Dieser Aspekt fehlt im Koalitionsvertrag völlig.
  • Wohnverhältnisse: Es ist geplant, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, darunter 100.000 öffentlich geförderte (KV, S. 88). Außerdem soll die Mietpreisebremse bis 2029 verlängert (KV, S. 91) und durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau gesenkt werden (KV, S. 89). Es ist aber zu bezweifeln, ob durch solche Maßnahmen, die weiter gehende Vertreibung – insbesondere von Menschen mit Migrationsgeschichte – durch Mietsteigerungen aus Ballungszentren effektiv bekämpft werden kann. 
  • Bildung: im Koalitionsvertrag wurde eine Reihe von Reformen des Bildungssystems – Stärkung der frühkindlichen Bildung, bessere Startchancen in sozialbenachteiligten Schulen, ein Digitalpakt 2.0 und Verbesserung von BAföG – genannt (KV, S. 94 ff). Ebenfalls ist es positiv zu bewerten, dass konkrete Maßnahmen für die Verbesserung der Bildungschancen von überwiegend erwachsenen Einwander*innen erwähnt werden. Dazu gehören:
    - „Für eine möglichst rasche Integration wollen wir für alle Menschen, die nach Deutschland kommen von Anfang an Integrationskurse anbieten. Die Kurse müssen passgenau und erreichbar sein“ (KV, S. 139). Hier ist jedoch eine grundsätzliche Überarbeitung des Konzepts der Integrationskurse mit der Beteiligung von einschlägigen Migrant*innenorganisationen vonnöten.
    - „Mit einem Förderprogramm für Volkshochschulen und andere gemeinnützige Bildungseinrichtungen investieren wir in digitale Infrastruktur“ (KV, S. 97). Auch hier fehlt die explizite Erwähnung von Migrant*innenorganisationen, die im Bereich der Erwachsenenbildung tätig sind.
    - „Wir werden Angebote zur Alphabetisierung ausbauen“ (KV, S. 97).
    - „Die Anerkennung informell, non-formal oder im Ausland erworbener Kompetenzen werden wir vereinfachen und beschleunigen“ (KV, S. 97).
    Allerdings fehlt auch den Reformen im Bildungsbereich – ähnlich wie nahezu allen anderen im Koalitionsvertrag vorgesehenen sozialen Reformen – ein Finanzierungsplan. Deshalb teilen wir die folgende Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Wahre Chancengleichheit wird jedoch erst dann umgesetzt werden können, wenn Deutschland der Unterfinanzierung des Bildungswesens langfristig entgegenwirkt und im internationalen Vergleich endlich eine Vorreiterrolle bei den öffentlichen Bildungsinvestitionen übernimmt. Doch die Ampelparteien haben sich weder auf konkrete Ausgabenhöhen noch Finanzierungswege im Bildungsbereich verständigt. Eine elementare Leerstelle des Vertrages.“ (Quelle: GEW).
  • Rente und Altersarmut: Der Koalitionsvertrag beinhaltet keine nennenswerten Verbesserungen für Millionen Rentner*innen, geschweige denn für strukturell benachteiligte Rentner*innen mit Migrationsgeschichte. Alles soll im besten Fall wie bisher bleiben. So wird darauf hingewiesen, dass es „keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters“ geben und das Mindestrentenniveau von 48% „dauerhaft“ gesichert wird (KV, S. 73). Durch den Erhalt von Status quo kann jedoch die Gefahr der Altersarmut insbesondere für viele Migrant*innen nicht gebannt werden. Besorgniserregend ist der Einstieg „in eine teilweise Kapitalabdeckung der gesetzlichen Rentenversicherung“ (KV, S. 73). Dadurch kann gesetzliche Rentenversicherung von schwer vorhersehbaren Marktmechanismen abhängig werden. 
  • Finanzierung sozialer Reformen: wie oben erwähnt, bleibt im Koalitionsvertrag die Frage der Finanzierung von angekündigten sozialen Reformen gänzlich ungeklärt. Besonders bei sozialen Fragen darf nicht verschwiegen werden, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland kontinuierlich wächst. Und die Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft. Diese gesellschaftlich spaltende Tendenz muss korrigiert werden. Dies kann nur gelingen, wenn stärkere Schultern mehr tragen. Der Koalitionsvertrag beinhaltet nicht einmal Ansätze einer gerechten Steuerpolitik, die die Armen ent- und die Reichen belastet. Da ist beispielsweise weder von einer Reichensteuer noch von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer die Rede.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) weist zu Recht darauf hin: „Wer mehr Fortschritt wagen will, darf sich nicht vor einem Einstieg in eine gerechte Steuerpolitik drücken. Dazu haben sich die zukünftigen Ampelkoalitionäre nicht durchringen können. Das ist eine zentrale Schwachstelle des Koalitionsvertrages […]“ (Quelle: DGB).


Fazit
Trotz aller Defizite enthältt der Koalitionsvertrag eine Reihe von wichtigen und potenziell weiterführenden Planungen Projekten und Ansätzen, aber auch konkreten und schon auf den Weg gebrachten Maßnahmen.. Insbesondere sind hier die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 €, Bekämpfung der Kinderarmut durch Kindergrundsicherung und Reformen des formalen Bildungssystems zu nennen. Enttäuschend ist der Koalitionsvertrag im Bereich der Rente und Altersarmut, prekärer Beschäftigung und Steuerpolitik.
Vieles aber bleibt vage. Es fehlt gänzlich an einem Finanzierungsplan und einem Zeitplan für die Umsetzung der Reformen. Ebenfalls fehlt es weitgehend ein integrierter konzeptioneller Ansatzpunkt die Beseitigung struktureller sozialer Benachteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte. 

100 Tage Ampelkoalition
Die Bundesregierung hat turbulente 100 Tage hinter sich, die durch steigende Inflation und später den Krieg gegen die Ukraine geprägt waren. Trotzdem sind einige Tendenzen im sozialen Bereich erkennbar. Hier ein kurzer Rückblick:
Die Ampelregierung hat ihre Arbeit unter schwierigen Bedingungen der hohen Inflationsraten begonnen. Seit Dezember letzten Jahres ist die Inflationsrate ca. fünf Prozent und darüber hinaus (Dez. 2021: 5,3%, Jan. 2022: 4,9%, Februar 2022: 5,1%). Die Pandemie und deren Auswirkungen trugen zu steigenden Energiepreisen, Materialknappheit und Lieferengpässe bei, die wiederum viele Produkte – nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU und den USA – verteuern (vgl. Tagesschau). Dabei haben sprunghafte Energiepreise wesentlich zu hohen Inflationsraten beigetragen.
Angesichts des Krieges in der Ukraine und v.a. weitere Steigerung der Energiepreise prognostiziert der Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser, dass „eine Fünf vor dem Komma der Inflationsrate im Gesamtjahr 2022 gerade wahrscheinlicher als eine Drei“ werde (Quelle).   
Die Ampelkoalition reagierte als Ausgleich für gestiegene Energiepreise mit einem „Entlastungspaket“: Die Ökostrom-Umlage, die bisher Teil des Strompreises ist, soll im Juli abgeschafft werden, Die Pendelpauschale soll rückwirkend zum 1. Januar ab dem 21. Kilometer angehoben werden. Der Arbeitnehmerpauschalbetrag bei der Einkommenssteuer wird um 200 € auf 1200 € erhöht. Von Armut betroffene Kinder sollen wegen der hohen Energiepreise einen Sofortzuschlag von 20 € pro Monat ab dem 1. Juli erhalten. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 € bekommen (Stand: 24.02.2022). 
Das geplante „Entlastungspaket“ ist aber – wie der Paritätische Wohlfahrtverband kritisiert – nicht sozial gerecht, denn während Hartz-IV-Beziehende mit einem einmaligen Zuschuss von 100 € zu kurz kommen, werden eher reiche Menschen, die in Vorstädten oder im Umland leben, am meisten von der Pendelpauschale profitieren. Dieses Beispiel lässt erhebliche Zweifel, ob die Ampelkoalition in der Praxis die versprochenen sozialen Reformen im Koalitionsvertrag umsetzen wird.
Eine extrem besorgniserregende Entwicklung ist kurz nach dem Ausbruch des völkerrechtswidrigen Kriegs gegen die Ukraine zu beobachten: massive Aufrüstung der Bundeswehr und die Gefahr einer Militarisierungsspirale sowohl in NATO als auch in Russland und China.
Die Bundesregierung will neben dem NATO-Ziel die Rüstungskosten von derzeit 1,5% auf 2% des BIP erhöhen und auch einen 100 Milliarden € Rüstungsfonds einrichten und im Grundgesetz festschreiben.
Diese Aufrüstungspolitik steht im Widerspruch zut den friedenspolitischen Positionen des Koalitionsvertrags. Dort ist nämlich davon die Rede, dass die Ampelkoalition sich „für eine Wiederbelebung der internationalen Abrüstung und Rüstungskontrolle“ einsetze (KV, S. 143). Weiterhin heißt es: „Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen (KV, S. 145).
Es liegt nahe, dass durch massive Erhöhung von Wehretat finanzielle Prioritäten gesetzt werden. Es steht zu befürchten, dass das Geld, das für die Aufrüstung zur Verfügung gestellt wird, für die Umsetzung sozialer Maßnahmen und Reformen fehlen wird.
Was die Kinderarmut betrifft, hat die Familienministerin Anne Spiegel in einem Interview vom 13.01.2022 sich als „eine entschiedene Verfechterin einer Kindergrundsicherung“ bezeichnet und angekündigt: „Um etwa 2,7 Millionen armutsgefährdeten Kindern in Deutschland schnell zu helfen, wollen wir zunächst einen Sofortzuschlag einführen“ und fügte hinzu: „Über die Hohe wird noch verhandelt“ (Quelle).  
Der „Sofortzuschlag“ wurde aber nicht umgehend bezahlt. Über einen Monat später, Mitte Februar, kündigte die Familienministerin an, sich um eine Sonderzahlung für Kinder von Harzt-IV-Beziehende zu kümmern. Es sei nicht hinnehmbar, „dass in einem reichen Land wie Deutschland noch immer Kinder in Armut leben“ (Quelle). Einige Tage später wurde angekündigt, dass die von Armut betroffene Kinder im Rahmen des „Entlastungspakets“ ganze 20 € pro Monat und zwar ab dem 1. Juli erhalten werden.
Es liegt auf der Hand, dass diese 20 € kaum ausreichen, um nur der steigenden Inflation entgegenzuwirken, geschweige denn die Kinder aus der Armut zu holen.

Fazit
Die Bilanz der Ampelregierung in den ersten 100 Tagen in sozialen Fragen ist sehr ernüchternd. Mit der Entscheidung für Aufrüstung und beachtliche Erhöhung des Wehretats wurden falsche Prioritäten gesetzt. Somit reduzieren sich die ohnehin beschränkten finanziellen Spielräume für soziale Reformen.
Die bisherige Praxis der Regierung macht Sorge, dass zwischen dem Anspruch der Regierung im Koalitionsvertrag und der politischen Praxis  erhebliche Unterschiede erwartet werden müssen. Das werden wir aufmerkam beobachten.
Ob und inwieweit spezifische Maßnahmen für die Beseitigung struktureller sozialer Benachteiligungen von Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte umgesetzt werden und wie Migrant*innenorganisationen einbezogen werden sollen, bleibt bisher völlig ungeklärt.   

Unsere Forderungen
Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen (BV NeMO) hat bisher seine Forderungen über einzelne soziale Bereiche wie Arbeit, Gesundheit oder Bildung in mehreren Publikationen formuliert. Hier geht es uns um die Verwirklichung von sozialen Fragen als Ganze:

  • Ein sofortiger Zeitplan für die Umsetzung aller angekündigten sozialen Reformen im Koalitionsvertrag.
  • Ein integrierter konzeptioneller, praxistauglicher Ansatz mit Blick auf Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte in Risikolagen und für jeden sozialen Lebensbereich, um ihre strukturelle soziale Benachteiligung zu beseitigen.
  • Eine sozial gerechte Steuerpolitik, die der wachsenden Kluft zwischen Armen und Reichen entgegenwirkt.. 
  • Bei der Planung und Umsetzung aller spezifischen sozialen Maßnahmen und Reformen sollen Migrant*innenorganisationen systematisch und „auf Augenhohe“ einbezogen werden. Ihr Fachwissen über Bedürfnisse von Menschen mit Migrationsgeschichte sind unverzichtbare Ressourcen für eine realistische Planung und Durchführung sozialer Reformen.