5. Dezember 2022: Internationaler Tag des Ehrenamts

Wir werden an vielen Orten im NeMO-Netzwerk feiern. Doch wer feiert hier eigentlich wen? Wofür die einen bezahlt werden, opfern andere einen Großteil ihrer Freizeit. Ehrenamt ist nicht selbstverständlich, nicht öffentlich sichtbar und gleichzeitig unverzichtbar. Nicht nur in der Vereinsarbeit, sondern auch in Bereichen wie Kinderbetreuung, Nachhilfeunterricht, Pflegearbeit, Begleitung von Geflüchteten, Nachbarschaftshilfe, bei Übersetzungstätigkeiten und der gegenseitigen Unterstützung bei interkulturellen Barrieren.

Der 5. Dezember sollte nicht nur ein Tag der Anerkennung sein – sondern auch ein Tag, an dem allen bewusst wird, wie elementar ehrenamtliches Engagement für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Im Jahr 1985 wurde der Tag des Ehrenamtes seitens der UNO mit Wirkung ab dem Jahr 1986 eingeführt. Seitdem feiern ihn jährlich am 5. Dezember international viele freiwillig Tätige. In Deutschland engagieren sich rund 30 Millionen Menschen ehrenamtlich. Damit ist mehr als jede dritte Person in unterschiedlichen Lebensbereichen aktiv: Care-Arbeit, Vereinsarbeit, Nachbarschaftshilfe, Quartiersarbeit, Spracherwerb, politisches Engagement, kulturellen Austausch oder digitale Vernetzung, Nachhilfeunterricht sowie in der Kinderbetreuung; um nur einige Bereiche zu nennen.

Soziales Engagement ist in seinem Umfang nicht messbar oder öffentlich sichtbar. Gerade in Krisenzeiten – wie beispielsweise während der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren – wurde die Bereitschaft und die Notwendigkeit nachbarschaftlichen Engagements deutlicher als je zuvor. Während vor der Pandemie nur ein Drittel der Einwohner*innen bereit waren ihren Nachbar*innen zu helfen, unterstützten während der Pandemie im Jahre 2020 doppelt so viele Menschen ihre Nachbar*innen in unterschiedlichsten Lebensbereichen.  

Gerade innerhalb der eigenen Familie sind es oft Frauen, die neben der Erwerbstätigkeit, der Kinderbetreuung, der Altenpflege und – je nach Zugangs- und Sprachbarrieren – oft Übersetzungs- und bürokratische Aufgaben für ihre eigenen Eltern oder Angehörigen übernehmen. Care-Arbeit oder Sorgearbeit ist neben ehrenamtlichem Engagement ein weiterer Aspekt, der bei der Honorierung des Ehrenamtes nicht vergessen werden darf. Nicht umsonst fordert Bundesministerin für Inneres und Sport, Frau Nancy Faeser, aufgrund der Mehrbelastung eine stärkere Entlastung von Ehrenamtlichen. Der Vorschlag ihres Ministeriums: Ehrenämter im Rentensystem anerkennen. Dazu gehört auch die Idee, dass Ehrenamtliche ein Jahr früher in Rente gehen können. Doch selbst aus den eigenen Reihen der Koalition wird die Meinung vertreten, Ehrenamt entspreche einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Diese dürfe nicht auf Beitragszahler*innen abgewälzt werden. Überdies seien aktuelle Regelungen unfair gegenüber Selbstständigen.  Auch der Vorschlag der Ministerin nach einem kurzzeitigen „sozialen Pflichtdienst“, in Anbetracht zunehmender gesellschaftlicher und klimabedingter Herausforderungen und Krisen, stößt auf Kritik. „[D]ie Bundesregierung setzt weiterhin auf Freiwilligkeit“, heißt es seitens des stellvertretenden Regierungssprechers.  Inwieweit die wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen noch von ehrenamtlichen Unterstützer*innen bewältigt werden können, ist eine andere Frage. 

Das NeMO-Projekt zur Stärkung von Aktiven aus Migrant*innenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit (samo.fa) markiert ein Paradebeispiel: Es zeigt, dass gerade beim Thema Inklusion von eingewanderten Menschen, diejenigen gebraucht werden, die aufgrund ihrer eigenen Geschichte und ihrer der besonderen Migrationskompetenzen in der Lage sind, die Bedarfe und Bedürfnisse von Geflüchteten und migrantischen Menschen zu verstehen und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Würden diese ehrenamtlichen Unterstützer*innen und Multiplikator*innen wegfallen, hätte das einschneidende Konsequenzen: Es ist nur schwer vorstellbar, wie die Gestaltung eines differenzsensiblen und gleichberechtigten Einwanderungslandes Deutschland aussähe. Es ist kaum auszumalen wie Zugänge, vor allem zu vulnerablen Gruppen, dann geschaffen werden könnten. 

Auch heute gibt es bereits viel zu tun: Einigen Frauen mit Einwanderungsgeschichte fehlt es nahezu vollständig an Anschlussmöglichkeiten, Begegnungsräumen oder sozialen Aktivitäten außerhalb der Familie. Je nach Aufenthaltsstatus haben sie auch keinen Anspruch auf regelmäßige finanzierte Gesundheitsleistungen. Die Folge: Ebendiesen Frauen fehlt die Motivation, etwas für sich selbst zu tun. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurden im Rahmen von samo.fa Ansätze entwickelt, um insbesondere Frauen und Familien zu stärken. Durch sportliche Aktivitäten und die Schaffung von Begegnungsräumen, die von Sprachcafés bis hin zu Gymnastik- und Schwimmkursen reichen, werden die Frauen empowert. So vernetzen sie sich untereinander. Dadurch entwickelt sich oft ein größeres Selbstbewusstsein und die Hürden zur proaktiven Teilhabe im Quartier werden abgebaut. 

Der 5. Dezember als internationaler Feiertag würdigt diejenigen, die ihre Freizeit und ihr oft unermüdliches Engagement dafür einsetzen, sich den „Gefahren“ eines demokratischen und solidarischen Zusammenlebens entschlossen entgegenzustellen. In den Stadtgesellschaften beobachten wir, dass die sozialen Beziehungen der Menschen zueinander geschwächt sind. Wir sehen: Die Offenheit für Pluralität und Diversität ist zurückgegangen. 

Ehrenamt ist keine Selbstverständlichkeit – und doch kann unser Zusammenleben ohne die Solidarität und den Einsatz ehrenamtlichen Engagements nicht funktionieren. Der 5. Dezember ist ein guter Anfang, um das Ehrenamt wertzuschätzen und anzuerkennen. Aber es müssen auch neue Wege und Rahmenbedingungen geschaffen werden. Taten zeigen mehr als Worte. Das spüren wir alle. Gerade deshalb ist es so wichtig, soziales Engagement und den Einsatz Vieler weiterhin entschlossen zu fördern. Letztlich ist die Frage unbeantwortet: Wie sorgen wir dafür, dass dieses „Amt“ keine Ehre bleibt, sondern diejenigen honoriert werden, die dieser Gesellschaft am meisten zu geben haben?

Den Artikel downloaden