Mitgliederversammlung des Bundesverbands NeMO am 26. November 2022

Am 26. November 2022 fand die Mitgliederversammlung des Bundesverbands Netzwerke von Migrant*innenorganisationen e. V. (NeMO) statt. Das besprachen die lokalen Verbünde gemeinsam in Berlin in Präsenzveranstaltung:

1. Teilhabe in einer modernen Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern. Der Bundesverband NeMO begrüßt die Schaffung eines Partizipationsgesetzes. Es will die Schaffung verbindlicher Zielgrößen zur Beschäftigung von Menschen mit Migrationskompetenzen, aus Einwanderungsfamilien und BIPoC entsprechend ihres Bevölkerungsanteils im Öffentlichen Dienst, in den Landes- und Bundesministerien, in sämtlichen Bereichen der Verwaltung, in Gremien, in Sozialversicherungen und in den Personalvertretungen. In unserer Migrationsgesellschaft brauchen wir vor allem mehr Gesetze, die den strukturellen Rassismus konsequent bekämpfen. Als Bundesverband NeMO geht es uns um die Abschaffung der einschränkenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Behörden. Unabhängige Beschwerdestellen zur Antirassismusund Antidiskriminierungsberatung können wichtige Anlaufstellen für Getroffene/Betroffene sein. Diese Antirassismus- und Antidiskriminierungsberatungsstellen müssen bedarfsgerecht und flächendeckend aufgebaut und angemessen ausgestattet werden.

2. Nach 10-jährigem Bestehen begrüßt der Bundesverband NeMO ausdrücklich die Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dies wird eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des AGG auf öffentliche Stellen. Darüber hinaus werden die Klagemöglichkeiten für Getroffene durch die Einführung eines Verbandsklagerechts erleichtert.

3. Der Bundesverband NeMO fordert die Bundesregierung außerdem dazu auf, professionelle community-basierte rassismuskritische, mehrsprachige sowie ortsnahe Anlauf- und Beratungsstellen in migrantischer Trägerschaft auf- und auszubauen und angemessen finanziell auszustatten.

4. Der Bundesverband NeMO spricht über sein Solidaritätskonzept für die vor-Ort-Arbeit. Das Solidaritätskonzept dient den gemeinsamen Interessen und Strategien lokal und bundesweit. Die Verbünde arbeiten in Form von Bündnissen. Die Besonderheit der Bündnisse ist eine Positionierung in der Nichtpositionierung für Geflüchtete, verarmte Personen, Rom*nja/Sint*zze und Mütter, deren Kinder keine Geburtsurkunde erhalten, für Jüdinnen*Juden, Muslima und Muslime und asiatisch gelesene Menschen. In den regelmäßig stattfindenden internen Austauschforen werden ein gemeinsames Bewusstsein über unterschiedliche politische aktuelle Themen/Anliegen entwickelt. Dabei geht es darum zu reflektieren, wie unsere Netzwerke-Räume sein können und sein werden wollen, um die Bedürfnisse der Menschen real zu bewerten und abzudecken. Es ist auch wichtig zu überlegen, wie das Netzwerken mit Menschen funktioniert, die nicht „da“ bzw. „vor Ort“ sind, die nicht zugänglich/erreichbar sind. Für sie und mit ihnen will der Bundesverband NeMO ein Netzwerk für eine nachhaltige Arbeit aufbauen. Dies ist auch ein Teil der Professionalisierungsstrategie des Bundesverbands NeMO. Dabei muss nicht unbedingt ein WIR definiert oder gar erzwungen werden, sondern einen gemeinsamen Nenner für Empowerment und politische Haltung erarbeitet werden. Es sollen keine Herrschaftsstrukturen reproduziert werden. Der Bundesverband NeMO will vor allem eine wirkungsorientierte und nachhaltige Vernetzung vorantreiben und nicht nur sichtbaren Ergebnissen von kurzer Dauer hinterherlaufen. Unterschiedliche Existenzrealitäten, die vielleicht noch ungehört sind, sollen stärker in den Fokus rücken, mit einer etablierten Solidaritätskultur, die frei von allen Hierarchieverhältnissen in den Verbünden ist. Hier werden eine gemeinsame Sprache (common language) und Migrationskompetenzen herausgearbeitet. In der Gegenwartsbewältigung brauchen wir eine Fokussierung, eine Machtabgabe und eine Ressourcenteilung.

5. In diesem Zusammenhang schaut der Bundesverband NeMO besorgt auf die Menschenrechtslage an den EU-Außengrenzen. Dort ist die Lage unverändert dramatisch: Illegale Zurückweisungen sind alltäglich geworden, insbesondere an der kroatischbosnischen, der polnisch-belarussischen und der griechisch-türkischen Grenze sowie in Ceuta und Melilla. Nach wie vor werden Asylsuchende inhaftiert und misshandelt. Die Verweigerung der Aufnahme von aus Seenot Geretteten, aktuell vor der Küste Italiens, nimmt immer drastischere Formen an. Das menschliche Sterben im Mittelmeer ist unfassbar und unvereinbar mit der europäischen Wertegemeinschaft. Geflüchtete werden dazu instrumentalisiert, um die westlichen Gesellschaften in den gegenwärtigen Konflikten zu destabilisieren. Der Bundesverband NeMO fordert einerseits, dass es keine weiteren Einschränkungen des Asylrechts geben darf, um das gemeinsame europäische Asylsystem nicht weiter auszuhöhlen, und andererseits, dass die EU-Mitgliedstaaten sich bei den politischen Verhandlungen an den positiven Erfahrungen bei der Aufnahme der Ukrainer*innen orientieren. NeMO-Verbünde, Migrant*innenorganisationen und Geflüchtete müssen sich an den kommunalen Debatten um den neuen Pakt für Migration und Asyl beteiligt werden. Ja, Geflüchtete müssen in den Gremien!

6. Solidarität mit den Geflüchteten ist innerhalb des NeMO-Netzwerks eine Selbstverständlichkeit. Der Bundesverband NeMO bittet die Bundesregierung, Asylverfahren unter Wahrung der Prozessrechte der Betroffenen zu beschleunigen. Im Rahmen der Einwanderungsgesetzgebung soll Geflüchteten ein „Spurwechsel“ ermöglicht werden. Die völkerrechtswidrige Praxis der Pushbacks von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen soll skandalisiert werden. Für Ehrenamtliche aus den migrantischen Communities, die sich für Geflüchtete engagieren, ist es eine beschwerliche Situation, dass den aus der Ukraine Geflüchteten Integrationsmaßnahmen zugutekommen, die anderen aus Ländern des Globalen Südens teilweise nicht ermöglicht werden. Die Gesamtsituation führt dazu, dass immer mehr Stimmen laut werden, die vor einer weiteren Aufnahme von Geflüchteten aus dem Globalen Süden warnen oder sie pauschal als Illegale diskreditieren. Auch wenn die hohe Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine eine erhebliche gesellschaftliche Herausforderung darstellt, darf dies nicht dazu führen, dass das Schicksal von Menschen aus anderen Teilen der Welt aus dem Blick gerät. Dazu gehört auch, Menschen dort, wo sie ihre Heimat haben, zu ermöglichen, in Frieden, Freiheit und wirtschaftlicher Entwicklung zu leben. Der Bundesverband NeMO warnt weiterhin davor, die Situation Geflüchteter aus der Ukraine gegen die Situation anderer Geflüchteter auszuspielen. Die Unteilbarkeit der Menschenrechte ist die Basis unseres demokratischen Menschenbildes und der europäischen Wertegemeinschaft.

7. Der Bundesverband NeMO fordert die Bundesregierung dazu auf, das Bundesprogramm „Bundesaufnahmenverfahren für gefährdete Afghan*innen“ ausreichend und langfristig zu finanzieren, die Zivilgesellschaft daran zu beteiligen und sichere Fluchtwege zu schaffen, auch für den Nachzug von Familienangehörigen.

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