Offener Brief: Konkrete Visaerleichterungen für syrische und türkische Erdbebenopfer mit Familien in Deutschland

Sehr geehrte Frau Außenministerin Annalena Baerbock, sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin Nancy Faeser,

Nach den verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei mit vielen tausenden Todesopfern, stehen viele Familien noch immer ohne Wohnung, Versorgung mit Nahrung und Medizin, ohne Schulen und Arbeit da. Zahlreiche Familienangehörige, die in Deutschland leben, haben angeboten, ihre Familien aus Syrien und der Türkei bei sich aufzunehmen. Obdach geben und Hilfe leisten, ist für die Familien selbstverständlich.

In den Medien wird nach wie vor seitens der Politik verlautbart, dass Visaerleichterungen für Familienangehörige aus den Erdbebengebieten geschaffen wurden. Bei den betroffenen Familien kommen diese Erleichterungen nicht an, was sich in unserer Beratungsarbeit zeigt.

Wir, die Unterzeichner:innen dieses Offenen Briefes sehen es dringend geboten, endlich eine wirklich flexible und unbürokratische Einreise für vom Erdbeben betroffene Familienangehörigen zu schaffen.

Bisher bestehen weiterhin zu große Hindernisse in den folgenden Bereichen:

Reisepass:
Ohne Unterstützung der türkischen Behörden, ist es nicht möglich Reisedokumente zu erhalten. Für türkische Kurden könnte das ein Problem sein, da sie wenig Vertrauen in die Behörden haben Allgemein bekannt ist auch, dass syrische Staatsangehörige seit vielen Jahren im Rahmen der Beschaffung von Identitätsdokumenten auf Hürden stoßen, die sich nur durch Einbringung hoher Geldsummen (uns werden in diesem Zusammenhang
notwendige Zahlungen von 6000-8000 Euro berichtet) und einem hohen Zeitaufwand überwinden lassen. Hier braucht es Sonderregelungen, die diesen besonderen Umständen Rechnung tragen.

Verpflichtungserklärung:
Familienangehörige, die sich im Studium befinden, gerade Familien gründen oder „zu viele“ eigene Kinder haben oder zurzeit staatliche Leistungen beziehen, verfügen nicht über die vorgegebenen ausreichenden Mittel. Zahlreiche Ausländerbehörden lehnen zudem die Eigenfinanzierung durch die Antragsteller:innen ab. Die Besonderheit ist, dass die Eingeladenen bei ihren Familien unterkommen, die diese auch mit Nahrung versorgen.

Verwandtschaftsnachweis:
Hier ist es angesichts der Lage schwierig, den Nachweis mit amtlichen Bemerkungen und Barcode zu beschaffen. Die Originaldokumente sind in vielen Fällen aufgrund der Katastrophe nicht mehr vorhanden. Viele Menschen, die uns aufsuchen, möchten aufgrund der gerade für Kinder in den betroffenen Gebieten prekären Lage diese nach Deutschland einladen. Das scheitert oft daran, dass es sich um z.B. Nichten und Neffen handelt. Familienangehörige außerhalb des 1. und 2 Grades können nicht eingeladen werden. Das ist eine besondere Härte für minderjährige Kinder, die obdachlos und ohne ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln ausharren müssen.

Verlängerung des Visums:
Eine Verlängerung des Aufenthalts muss auch für Personen, die zum 7.5. oder danach einreisen ermöglicht werden. Insoweit ist eine Änderung der Türkei-ErdbebenAufenthalts-Übergangsverordnung – TürkeiErdbebenAufenthÜV vorgenommen worden. Eine entsprechende Verordnung und damit Handhabung muss auch für syrische Staatsangehörige geschaffen werden. Von dieser Regelung sollten insbesondere minderjährige Kinder und alte, gebrechliche Personen oder solche, die sich aufgrund der Katastrophe in Deutschland in medizinische Behandlung begeben müssen, Gebrauch machen können.

Besonderheit: Familienangehörige aus Syrien:
Für Familienangehörige, die sich in Syrien befinden, ist die Lage aussichtlos. Eine Einreise mit einem Besuchsvisum für syrische Familienangehörige scheitert derzeit an der negativen Migrationsrisikoprognose. D.h. es wird grundsätzlich unterstellt, dass sie nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren werden. Identitätspapiere zu beantragen oder zu verlängern ist mit den schon oben beschriebenen Hindernissen verbunden. Hinzu kommen die für die Visumsbeantragung erforderlichen weiten Reisen in die zuständigen deutschen Auslandsvertretungen nach Beirut, Amman oder Istanbul.

Forderungen:

  • Wir fordern einen flexiblen Umgang mit der Voraussetzung der Vorlage eines Reiseausweises (Vorlage anderer amtlicher Dokumente ggf. mit Lichtbild und eidesstattliche Versicherung über die Personenidentität von einreisender Person und eingeladener Person).
  • Wir fordern, dass die eingeladenen Personen, die aufgrund des humanitären Notfalls einreisen und bei ihren eigenen Familien leben werden, ohne Abgabe einer Verpflichtungserklärung einreisen können.
  • Wir fordern, dass die Einreise von Familienangehörigen über den 1. und 2. Grad hinaus ermöglicht wird.
  • Wir fordern, dass für Familienangehörige aus Syrien ähnliche Regelungen wie in der Türkei Erdbeben-Aufenthalts-Übergangsverordnung geschaffen werden.
  • Wir fordern, dass vom Erdbeben Betroffene die Möglichkeit erhalten, online Visaanträge zu stellen. Im Hinblick auf die zu treffende Migrationsrisikoprognose sollte eine Einreise nicht daran scheitern, dass es sich um ein Krisengebiet handelt. Vielmehr sollten Kriterien wie Erwerbstätigkeit, Familie im Herkunftsland oder Eigentum Berücksichtigung finden.

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