Gipfel zur Asylpolitik: Was bleibt von den guten Vorsätzen der Ampelkoalition?

Stellungnahme zu den Erklärungen des Bundeskanzlers und die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels vom 6. November.

In unserer Positionierung zu 100 Tagen der damals neuen Ampel-Koalition im März 2022 hieß es:

„Die Werte einer Einwanderungsgesellschaft zeigen sich in besonderer Weise in ihrem Umgang mit Schutzsuchenden. Von der neuen Innenministerin Nancy Faeser gehen tatsächlich ganz andere Botschaften als von ihrem Vorgänger Seehofer aus. Sie sagt mehr Offenheit bei der Aufnahme von Geflüchteten zu und wirbt in der EU für eine ‚Koalition der Willigen‘ als Initiative,die europäische Migrationspolitik neu zu ordnen. Dies ist umso dringlicher, als mittlerweile immer deutlicher wird, dass die globale Klimakrise, Krieg und Armut weitere Flucht hervorrufen werden. Eine neue Asylpolitik braucht deshalb als Pendant eine Politik, die sich dem Globalen Süden in ganz anderer Weise zuwendet, als dies bisher geschehen ist. Davon ist allerdings in der Koalitionsvereinbarung wenig zu erkennen. Offensichtlich wird auch die Grundarchitektur einer ‚Festung Europa‘ nicht infrage gestellt. Abschiebung wird als asylpolitisches Instrument gerechtfertigt und Berichte über unwürdige Abschiebungspraktiken gab es auch in den ersten 100 Tagen.“

Die aktuellen Erklärungen des Bundeskanzlers und die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels vom Montag, 6.11., zeigen: Die guten Vorsätze zu einer besseren, weil humaneren Asylpolitik sind aufgebraucht. Die Ampel gibt der rechtspopulistischen Agitation und dem schwieriger gewordenen gesellschaftlichen Klima nach: Statt Aufklärung und Überzeugung gibt es einen Roll-Back. „Es wird kälter in Deutschland“, titelt die Frankfurter Rundschau gestern. Wir sind mit den Wohlfahrtsverbänden davon überzeugt: Die Verringerung der finanziellen Leistungen für Menschen im Anerkennungsverfahren wird die Fluchtbewegungen – auch nach Deutschland – nicht bremsen, weil diese ganz andere Gründe haben. Kein Mensch verlässt ohne Not seine Heimat! Aber: Finanzielle Kürzungen und die Umstellung auf Bezahlkarten machen den Betroffenen ihr ohnehin schon schwieriges Leben noch schwerer und ihre Sorgen größer. Das ist inhuman.

Der Bundesverband NeMO ist ein Zusammenschluss lokaler Verbünde von Migrant*innenorganisationen mit einer großen Zahl von Mitgliedsvereinen. Wir sind vor allem lokal aktiv und nahe bei den Menschen. Dass die Kommunen mit mehr Geld ausgestattet werden, weil die Aufnahme- und Integrationsarbeit dort liegt, ist richtig. Dem Eindruck, alle Kommunen stünden „mit dem Rücken zur Wand“, widersprechen wir. Es kommt darauf an, ob die Kommunen aus den Jahren nach 2015 gelernt haben, dass Geflüchtetenarbeit eine ihrer Daueraufgaben ist und sich darauf strategisch und in enger Kooperation mit den lokalen Verantwortungsgemeinschaften eingestellt haben – oder nicht. Demokratische Migrant*innen Organisationen sind als wichtiger Akteur in diesen lokalen Verantwortungsgemeinschaften unverzichtbar, wie in einer nüchternen, klugen und menschlichen Flüchtlingsarbeit und -politik überhaupt. Es wird sich zeigen, ob die Zusammensetzung der im Gipfel angekündigten Kommission zur besseren Steuerung der Migration und des angekündigten breiten gesellschaftlichen Bündnisses dem Rechnung trägt. 

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